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Egal ob Mord oder Selbstmord Witwenrente nur bei Tod als Folge eines Arbeitsunfalles

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Berlin, 29.09.1999

Egal, ob Mord oder Selbstmord, Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung gibt es nur bei Tod als Folge eines Arbeitsunfalles. Dies bestätigt ein Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28.09.1999. Die Entscheidung ist immer noch verwertbar, da die maßgebenden Regelungen des SGB VII nach wie vor gelten:

Sozialgericht Berlin
Urteil vom 28.9.1999
Az. S 27 U 896/98

(…)
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Am 6. Januar 1998 erhielt die Beklagte von der Klägerin die Anzeige über den Tod ihres Ehemannes M. Ö. am 29. November 1997. Die Klägerin gab an, dass ihr am 18. Juni 1973 geborener Ehemann an diesem Tage während der Arbeitszeit verstorben sei. Zuvor schon hatte die Beklagte von der Allgemeinen Ortskrankenkasse Bayern (AOK) die Anmeldung eines Erstattungsanspruchs wegen Krankenhauskosten erhalten. Darin hatte die AOK um Prüfung gebeten, ob ein Ereignis als Arbeitsunfall anerkannt werde, das sich so darstelle, dass M. Ö. am 25. November 1997 im Rahmen einer Auseinandersetzung auf der Baustelle in Berlin eine Kopfdurchschutzverletzung erlitten habe. Die Beklagte zog die Akten der Staatsanwaltschaft bei, die sie in Kopie zu ihrem Vorgang nahm. Darin waren Zeugenvernehmungen von Kollegen des Verstorbenen und der Klägerin sowie ein Obduktionsbericht und dessen Auswertung durch die Kriminalpolizei enthalten. Nach der Auswertung des Obduktionsberichts stellte die Kriminalpolizei fest, dass es bei dem Kopfschuss um einen Durchschuss gehandelt habe. Es sei von einem absoluten Nahschuss auszugehen. Der Einschuss befinde sich rechts über dem Ohr und der Ausschuss liege links am Hinterkopf. Die Kriminalpolizei vermerkte, dass nach der die Obduktion durchgeführt habenden Ärztin Dr. B. von einer Selbstbeibringung der Schussverletzung auszugehen sei. Entsprechend war auch die Feststellung der Kriminalpolizei in dem abschließenden Bericht vom 18. Februar 1998. Danach wurde angenommen, dass der Verstorbene mit einer Schusswaffe auf die beiden Kollegen S. F. und Y. Ö. geschossen habe. Unzweifelhaft, so die Feststellung in dem Bericht, bleibe ferner, dass M. Ö. im Anschluss an die Schussabgabe auf die beiden Geschädigten den letzten Schuss selbst in suizidaler Absicht in den Kopf abgegeben habe. Dies folgerte die Polizei vor allem daraus, dass sowohl das Verletzungsmuster und der Schusskanal als auch die anlässlich der Obduktion festgestellten Schmauchpartikel, die auf einen Schuss aus aufgesetzter Waffenmündung schließen ließen, die Schussbeibringung durch eine andere Person ausschlössen. Auch die Feststellung der Polizei, dass aus der Tatwaffe die gleiche Munition verschossen sei, die M. Ö. in seiner Geldbörse gehabt habe und die bei der Durchsuchung seines Hauskellers aufgefunden worden sei, zu dem laut Auskunft der Klägerin nur er den Hausschlüssel besaß, stützte nach Auffassung der Kriminalpolizei den Schluss, dass von einem Selbstmord auszugehen sei. Bei ihrer Erkenntnis legte die Kriminalpolizei allein diese Ermittlungsergebnisse zugrunde, da sich aus den Zeugenaussagen keine Darstellung des Todes des Ehemannes der Klägerin ergab. Lediglich die zuvor vom Verstorbenen abgegebenen Schüsse waren Aussagen von Kollegen zu entnehmen. Aus der Aussage der Klägerin ergab sich, dass diese sich einen Selbstmord ihres Ehemannes nicht erklären könne. Sie sei zur Zeit des Vorgangs im 3. Monat schwanger gewesen und habe kurz vor dem 27. November 1997 mit ihrem Ehemann beschlossen, deswegen in eine größere Wohnung umzuziehen. Nach Auswertung dieser Unterlagen erließ die Beklagte den Bescheid vom l. April 1998, mit dem die Gewährung von Leistungen an die Klägerin abgelehnt wurden, da kein Unfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung festzustellen sei. Dabei ging die Beklagte von einer Selbsttötung aus. Der folgende Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 1998 zurückgewiesen. In den Gründen führte die Beklagte aus, dass ein Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. l Sozialgesetzbuch, 7. Buch (SGB VII) nicht gegeben sei. Als Unfälle im Sinne dieser Vorschrift würden nämlich absichtlich oder vorsätzlich begangene eigene Körperschädigungen nicht angesehen. Die Anerkennung eines Arbeitsunfalls setze nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts voraus, dass die versicherte Tätigkeit, das Unfallereignis und die Erkrankung mit Gewissheit bewiesen seien. Dies sei nicht der Fall.
Dagegen richtet sich die Klage vom 25. November 1998. Zur Begründung führt die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten aus, es müsse vorliegend von einem Mord statt einem Selbstmord ausgegangen werden. Der Verstorbene habe keinen Grund gehabt, sich selbst zu töten. Im übrigen wird das Ermittlungsergebnis nach den bisher vorliegenden Akten der Staatsanwaltschaft in Frage gestellt.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom l. April 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen eines Arbeitsunfalles ihres verstorbenen Ehemannes M. Ö. am 25. November 1997 Hinterbliebenenleistungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Tatbestandes wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der vom Gericht beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten.

Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Witwenrente setzt nach § 63 Abs. l Satz 2 Sozialgesetzbuch, 7. Buch (SGB VII) einen Versicherungsfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung voraus. Der insoweit von der Klägerin in Anspruch genommene Versicherungsfall eines Arbeitsunfalls ist nicht gegeben. Ein Arbeitsunfall ist nach § 8 Abs. l Satz 2 SGB VII ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt. Lässt sich trotz Berücksichtigung aller Beweisanzeichen nicht feststellen, dass ein zum Tod führendes Verhalten im rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit bzw. mit Folgen eines Arbeitsunfalles steht, scheidet Versicherungsschutz nach § 8 SGB VII aus (vgl. Kater/Leube, Gesetzliche Unfallversicherung -SGB VII, Anm. 123 zu § 8 m.w.N.). Unabhängig von der Frage, ob vorliegend ein Selbstmord des Ehemannes der Klägerin nachgewiesen ist, was nach dem Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen angenommen werden muss, ist in jedem Falle auszuschließen, dass der Tod in direktem Zusammenhang mit der eigentlichen beruflichen Tätigkeit stand. Selbst wenn das Gericht einen Mord durch einen Arbeitskollegen unterstellen würde, müsste es zu dem Ergebnis kommen, dass auch damit kein betrieblicher Zusammenhang bestand, der für die Annahme eines Arbeitsunfalls zu fordern ist.
Danach konnte die Klage keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Rechtsmittelbelehrung
(…)

Sozialgericht Berlin, Urteil vom 28.9.1999, Az. S 27 U 896/98

Aktennummer: 98-00487


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